Mit dem Ioniq 9 kämpft Hyundai darum, seine eigene hohe Messlatte zu übertreffen
Hyundai hat die völlig neue Natur des Elektroantriebs genutzt, um neue Fahrzeuge zu bauen, die sich radikal von seinen Modellen mit Verbrennungsmotor unterscheiden. Doch was passiert, wenn das Beste, was ein neues Auto sein kann, gewöhnlich ist?
Der Hyundai Ioniq 9 (2026) ist ein SUV mit drei Sitzreihen. Um erfolgreich zu sein, muss Platz und ein entspanntes Fahrerlebnis Vorrang vor radikalem Design oder Sportwagen-Fahrdynamik haben. Das lässt nicht viel Raum für Kreativität, aber Hyundai hat sein Bestes gegeben und dem Ioniq 9 ein futuristisches Design verliehen, kombiniert mit der bewährten E-GMP-Plattform für Elektrofahrzeuge der anderen Ioniq-Modelle und des Kia EV9.
Die begeisterte Resonanz auf den EV9 der Schwestermarke von Hyundai zeigt, warum Hyundai, obwohl das Unternehmen bereits zwei SUVs mit drei Sitzreihen und Benzinmotor im Sortiment hat, auch ein vollelektrisches Modell brauchte.
Ein weiteres gewagtes Design von Hyundai
Viele Autohersteller setzen bei ihren Modellen auf einen Familienlook, doch Hyundai geht mit seinen Ioniq-Elektrofahrzeugen einen anderen Weg. Der Hyundai Ioniq 5 und der Hyundai Ioniq 6 sind in Sachen Design völlig gegensätzlich, und der Ioniq 9 geht einen anderen Weg, der ihn von anderen SUVs mit drei Sitzreihen abhebt.
Man merkt, dass die Ingenieure viel Zeit im Windkanal verbracht haben, doch im Gegensatz zu vielen anderen Low-Climb-Designs weist der Ioniq 9 die aufrechten Proportionen eines echten SUV auf. Das Ergebnis sieht aus, als würde es in der Schulabholschlange im Tron Grid gut aufgehoben sein. Die hohe Motorhaube ist eindeutig SUV-typisch, die Frontpartie hingegen wirkt wie durch Erosion geglättet. Abgerundete Kotflügel verleihen dem Fahrzeug etwas Robustheit, stehen aber nicht so weit hervor, dass sie den Luftstrom behindern. Hinten verjüngen sich die Seitenwände, und das Dach fällt in ein abgehacktes Heck ab, ähnlich dem, was den Toyota Prius von 2004 so unverwechselbar und aerodynamisch effizient machte.
Abgerundet wird das Ganze durch eine weitere Version der Pixelbeleuchtung, die bereits beim Ioniq 5 und Ioniq 6 zu sehen war. Die quer über die Motorhaube verlaufende Lichtleiste verleiht dem Ioniq 9 im Rückspiegel betrachtet ein markantes und futuristisches Aussehen, während die Leuchten hinten einen Ring um die Heckklappe bilden. Dies wertet das Design auf und verleiht den ansonsten glatten und schlichten Oberflächen dieses Elektro-SUVs einen interessanten optischen Akzent. Weniger gelungen ist in dieser Hinsicht die üppige schwarze Kunststoffverkleidung, die wie aufgesetzt wirkt. Und so wie klavierschwarze Kunststoffverkleidungen im Innenraum schwer sauber zu halten sind, wird auch die schwarze Nummernschildeinfassung wohl immer mit Fingerabdrücken übersät sein.
Immer noch ein praktischer SUV mit drei Sitzreihen
Wie bei so vielen anderen Fahrzeugen setzte Hyundai ein eigenständiges Design-Statement und nutzte die gleiche Plattform wie ein deutlich anders aussehendes Modell der Schwestermarke Kia. Der Ioniq 9 basiert auf der gleichen Plus-Version der E-GMP-Architektur wie der Kia EV9 (ein Genesis-Luxusmodell ist ebenfalls in Planung). Der EV9 tauscht die windgeglätteten Oberflächen des Ioniq 9 gegen scharfe Kanten ein, sieht aber nahezu identisch aus wie ein Maßband. Der Hyundai ist 5 cm länger, 4 cm höher und nur 2,5 cm breiter.
Kopf- und Beinfreiheit sind nahezu identisch, unabhängig von der Sitzposition. Wie die meisten Fahrzeuge mit drei Sitzreihen bietet Hyundai optional eine Sitzbank und Kapitänssitze in der zweiten Reihe an, wodurch der Ioniq 9 ein Sechs- bzw. Siebensitzer wird. Die zweite Reihe lässt sich in beiden Fällen nach vorne oder hinten verschieben, aber selbst wenn die Sitze ganz nach vorne geschoben sind, finden Erwachsene in der dritten Reihe nicht viel Kniefreiheit. Für die Kinder, die dort höchstwahrscheinlich Platz finden werden, ist jedoch immer noch ausreichend Platz vorhanden.
Öffnet man die serienmäßige elektrische Heckklappe des Ioniq 9, erhält man 21,9 Kubikfuß Laderaum. Mit umgeklappter dritter Sitzreihe erweitert sich das Volumen auf 46,7 Kubikfuß, mit umgeklappter zweiter Sitzreihe auf 86,9 Kubikfuß. Alle drei Werte übertreffen den EV9, und Hyundai gibt an, dass hinter der zweiten und dritten Sitzreihe mehr Laderaum vorhanden ist als beim Rivian R1S (Rivian veröffentlicht keine eigenen Vergleichszahlen, um dies zu überprüfen). Während der R1S jedoch über einen geräumigen Kofferraum verfügt, bietet der Ioniq 9 nur ein kleines Staufach unter der Motorhaube, das gerade groß genug für Ladekabel ist.
Hyundais Dual-Screen-System mit 12,3-Zoll-Bildschirmen als Kombiinstrument und Touchscreen ist nach wie vor beeindruckend – insbesondere jetzt, da Hyundai kabelloses Apple CarPlay und Android Auto in dieses größere Display integriert. Die Mittelkonsole „Universal Island 2.0“ des Ioniq 9 war jedoch der absolute Hingucker. Sie bietet viel Stauraum vorne und hinten, ist von beiden Seiten zugänglich und lässt sich nach vorne und hinten verschieben. Ein durchdachtes Feature für ein Fahrzeug, bei dem jeder Sitz wichtig ist.
Schnell, aber nicht sportlich
Hyundai bietet für das Modelljahr 2026 drei Antriebsvarianten an, alle mit einem 110,3-Kilowattstunden-Akku. Das Basismodell Ioniq 9 S verfügt über einen Einzelmotor mit 215 PS und 310 Nm Drehmoment an die Hinterräder. Die Modelle SE und SEL sind mit einem Allradantrieb mit zwei Motoren ausgestattet, der 303 PS und 600 Nm Drehmoment leistet. Die Modelle Limited, Calligraphy und Calligraphy Design verfügen über einen leistungsstarken Zweimotorantrieb mit 422 PS und 750 Nm Drehmoment.
Die Leistung des heckgetriebenen Ioniq 9 ist identisch mit der eines heckgetriebenen EV9, doch die leistungsstärkste Version des Hyundai hat etwas mehr PS als der Kia (das Drehmoment ist gleich) und beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 4,9 Sekunden um 0,1 Sekunden schneller. Der Vorteil wird sich jedoch auf Kia verlagern, sobald später in diesem Jahr ein leistungsstärkerer EV9 GT auf den Markt kommt.
Schnelle Beschleunigung ist praktisch für das Auffahren auf Autobahnen, aber darum geht es beim Ioniq 9 nicht wirklich. Er will nichts anderes sein als ein großer, komfortabler SUV, der Kinder zu Freizeitaktivitäten bringt oder als Analogon zu den großen Limousinen von früher für Käufer dient, die einfach ein geräumiges Fahrzeug wünschen. Die Federung absorbiert Stöße ohne jedes Wackeln, und wie alle Elektrofahrzeuge war der Ioniq 9 beeindruckend leise (obwohl die Reifengeräusche etwas lauter waren als erwartet). Er fährt sich angenehm, aber nicht aufregend.
Für Komfort und Gelassenheit sorgt Hyundais i-Pedal-Bremssteuerungssystem. Es kombiniert automatisch Rekuperationsbremsen und Reibungsbremsen, um das Fahrzeug so sanft und effizient wie möglich abzubremsen. Es handelt sich um eine Funktion, die von anderen Ioniq-Elektrofahrzeugen übernommen wurde, die Abstimmung für den Ioniq 9 war jedoch besonders gut. Zwar lässt sich mit den Lenkradwippen immer noch eine regenerative Bremsung auslösen, aber die Sanftheit des i-Pedals konnte kaum erreicht werden.
NACS an Bord
Hyundai schätzt die Reichweite auf 547 Kilometer für die Basisausstattung S mit Heckantrieb, 514 Kilometer für die Doppelmotor-Modelle SE und SEL und 500 Kilometer für die High-End-Modelle Limited, Calligraphy und Calligraphy Design, die alle über den leistungsstärkeren „Performance“-Antrieb verfügen. Damit hat der Ioniq 9 einen Reichweitenvorteil gegenüber seinem Kia EV9 , der in der Light-Long-Range-Ausstattung mit Heckantrieb nur 480 Kilometer schafft. Dieser Vorteil wird jedoch durch einen größeren Akku erreicht.
Sowohl Hyundai als auch Kia stellen für das Modelljahr 2026 auf den North American Charging Standard (NACS) um und ermöglichen Fahrern den Zugang zu den Tesla Supercharger DC-Schnellladestationen . Dies ermöglicht den Zugang zu mehr Ladegeräten mit nachgewiesener Zuverlässigkeit, bedeutet aber nicht zwangsläufig schnelleres Laden. Hyundai schätzt, dass der Ioniq 9 an einem V3-Supercharger in 41 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufgeladen werden kann. An einer 350-Kilowatt-Station nach Combined Charging Standard (CCS) dauert dieser Ladevorgang mit einem Adapter jedoch nur 24 Minuten.
Beim AC-Laden der Stufe 2 dauert eine vollständige Aufladung bei 11 kW laut Hyundai neun Stunden und 40 Minuten. Wie andere Modelle auf Basis der E-GMP-Architektur kann auch der Ioniq 9 bidirektional laden, um Geräte und Elektrogeräte mit Strom zu versorgen. Hyundai hat bisher noch kein vollständiges Notstromsystem für Privathaushalte wie das für den EV9 vorgestellt, bietet aber über den Hyundai Home-Marktplatz ein Portal für den Verkauf solcher Geräte.
Ein relativer Wert in einem hochpreisigen Marktsegment
Mit einem Grundpreis von 60.555 US-Dollar (inkl. Heckantrieb) ist der Ioniq 9 das teuerste SUV im Hyundai-Sortiment. Die Preise steigen deutlich an. Die Allrad-Modelle SE und SEL beginnen bei 64.365 US-Dollar bzw. 67.920 US-Dollar. Die Luxus-Ausführung Limited startet bei 72.850 US-Dollar, die Calligraphy bei 76.590 US-Dollar und die Calligraphy Design-Ausführung bei 78.090 US-Dollar.
Kia hatte zum Redaktionsschluss noch keine Preise für den EV9 2026 bekannt gegeben. Das Modell 2025 startete jedoch bei 56.395 US-Dollar und verfügt über einen kleineren Akku und eine geringere Reichweite als das Basismodell Ioniq 9. Hyundais Ausstattungslinie ist in den High-End-Ausstattungsvarianten zudem kopflastiger, was aber auch für den EV9 gelten könnte – Kia hat bereits die Nightfall Edition und die GT-Modelle für 2026 bestätigt, die wahrscheinlich keine Schnäppchen sein werden. Alle Ioniq 9-Modelle werden zudem in Georgia gebaut und erhalten eine staatliche Steuergutschrift von 7.500 US-Dollar für Elektrofahrzeuge, was beim EV9 jedoch nicht garantiert ist.
Diese Preisstruktur mag zwar dazu beitragen, die beiden Marken zu differenzieren, ergibt für die Kunden aber wenig Sinn, da EV9 und Ioniq 9 ähnliche Ausstattung, Innenraum und den gleichen großzügigen Garantieumfang bieten. Der Ioniq 9 bleibt zumindest unter dem Rivian R1S und den wenigen derzeit auf dem Markt erhältlichen dreireihigen Elektro-SUVs der Luxusmarken. Es ist eine vernünftige Wahl, aber kein außergewöhnliches Preis-Leistungs-Verhältnis. Das ist angemessen für ein gewöhnliches, aber kein außergewöhnliches Fahrzeug – genau wie es im Mission Brief heißt.
