Interview mit Luca Rossi, Präsident der Lenovo Intelligent Devices Group: Die besten KI-Anwendungen sind noch nicht erfunden

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Im vergangenen Jahr hat sich die Technologie für große Modelle fast vierteljährlich weiterentwickelt, von textbasierten Graphen über Multimodalität bis hin zu KI-Agenten, mit immer detaillierterer Funktionalität und immer mehr Parametern. Je schneller die Technologie voranschreitet, desto größer ist jedoch der Rückstand bei der Terminal-Hardware. Dies gilt insbesondere für den PC-Sektor – eine Produktlinie, die einst als grundlegender Bestandteil der technologischen Infrastruktur galt, nun aber unter dem Druck steht, sich neu zu erfinden.

KI-PCs sind in der Branche zum Schlagwort geworden, stellen aber auch eine neue Herausforderung dar. Für Anwender klingen sie wie die nächste Generation von Produktivitätstools; für Hersteller hingegen bedeuten sie die Neugestaltung von Systemarchitekturen, die Überwindung von Rechenengpässen und eine vollständige Transformation, die fast vollständig auf Chipebene beginnt.

Während der IFA gab Luca Rossi, Executive Vice President der Lenovo Group und Präsident der Intelligent Devices Business Group, Medien wie iFanr ein Exklusivinterview. Dabei ging es ihm weniger um die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz, sondern vielmehr um die Frage, was aus dem PC werden soll.

AIPC ist ein zeitgemäßes, aber nicht ausschließliches Rezept

„Letztes Jahr haben wir vorausgesagt, dass der PC-Markt im Jahr 2024 wieder wachsen würde. Nun scheint sich diese Einschätzung im Wesentlichen bewahrheitet zu haben.“ Zu Beginn des Interviews entschied sich Luca Rossi, auf frühere Erwartungen mit Daten zu antworten.

In den letzten Quartalen verzeichnete der PC-Markt insgesamt wieder ein positives Wachstum. Die jährlichen Zuwächse schwankten zwischen 4 und 7 Prozent. Lenovo übertraf den Markt durchweg um 4 bis 5 Prozentpunkte. Diese Dynamik war im letzten Quartal besonders deutlich zu spüren: Lenovos Auslieferungen stiegen um über 10 Prozent.

„Dieses Wachstum wird sicherlich durch die Investitionen von AIPC vorangetrieben, aber es ist nicht der einzige Treiber“, räumte Luca ein. Er glaubt, dass auch der Upgrade-Zyklus von Windows 10 auf Windows 11 eine erhebliche Nachfrage nach Ersatzprodukten ausgelöst hat. Microsoft wird den Support für Windows 10 im Oktober 2025 vollständig einstellen, und die Unternehmen befinden sich erst in der Mitte des Upgrade-Prozesses. Das bedeutet, dass diese Ersatzwelle die Nachfrage in den nächsten zwei bis drei Quartalen weiter antreiben wird.

Etwa 30 % der neuen Lenovo-Geräte verfügen bereits über AIPC-Funktionen, und dieser Anteil steigt weiter. Luca ist überzeugt, dass die Hardware-Ebene von AIPC ausgereift ist und der Fokus nun auf dem Software- und Anwendungs-Ökosystem liegen wird: „Die wahre Explosion wird nächstes Jahr kommen.“

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KI zu „verstehen“ ist vielleicht nicht so wichtig

Luca hat eine sehr klare Meinung zum C-End-Markt: Die große Mehrheit der heutigen Verbraucher versteht vielleicht nicht wirklich den Wert, den AIPC bieten kann, aber das hält sie nicht davon ab, es zu kaufen.

Er sagte, dass es sich bei denjenigen, die AIPC speziell wegen seiner KI-Funktion kaufen, immer noch um eine kleine Anzahl professioneller Benutzer handele, während die Entscheidungsmotive der meisten Verbraucher oft oberflächlichere Faktoren seien – leichtes und dünnes Design, lange Akkulaufzeit und zukünftige Skalierbarkeit.

„Unsere AIPC-Produkte sind auch ohne KI attraktiv. Sie haben eine Akkulaufzeit von 12 Stunden und sind dünn, leicht und sehen gut aus.“ Er sagte, gerade weil die grundlegende Erfahrung hervorragend sei, könne sich der Wert der KI schrittweise durch die Nutzung herauskristallisieren, anstatt sich auf eine Einweisung zur Erklärung zu verlassen.

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Er unterteilte die AIPC-Wertschöpfungskette in drei Phasen: Erstens ist die grundlegende Erfahrung (Hardware) bereits vorhanden; zweitens werden erste KI-Szenarien implementiert; und drittens steht die explosionsartige Entwicklung ökologischer Anwendungen noch bevor.

„Derzeit machen KI-gestützte PCs 20–25 % des Weltmarktes aus, und wir haben bereits 30 % erreicht. Wir gehen davon aus, dass dieser Anteil innerhalb von anderthalb Jahren 50 % und innerhalb von drei Jahren 70–80 % erreichen wird. In vier oder fünf Jahren werden fast alle PCs KI-gestützte PCs sein.“

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Hybride KI: Kein Konzept, sondern ein grundlegender Aspekt des zukünftigen Computing

Der Kernstreitpunkt rund um AIPC liegt nicht in der Hardware, sondern im wahrgenommenen Wert. Eine seit langem bestehende Frage lautet: Ist lokale KI wirklich sinnvoll?

Angesichts dieser Frage schreckte Luca nicht zurück: „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Zukunft eine Welt der hybriden KI ist.“

Luca unterteilt das zukünftige KI-Computing in drei Ebenen: Cloud, Edge und Gerät. Jede Ebene hat ihren eigenen Wert und ihre eigene Notwendigkeit.

„Derzeit migrieren etwa 80 bis 100 ISVs weltweit ihre Kernanwendungen, um sie auf der NPU der CPU laufen zu lassen.“ Er wies darauf hin, dass diese Migration nicht nur der Show diene, sondern der Lösung konkreter Probleme – der Reduzierung der Latenz, der Gewährleistung der Privatsphäre und der Senkung der Cloud-Computing-Kosten.

Dies ist auch der Hauptgrund, warum Lenovo sich für eine Komplettlösung entschieden hat: KI-Anwendungen bedeuten nicht zwangsläufig cloudbasiertes Denken. Insbesondere in Szenarien, in denen generative Modelle stark an den Benutzerkontext gebunden sind, kann die lokale Bedienung die optimalere Lösung sein. Luca nannte ein weiteres Beispiel:

„Unser ‚Xiaotian‘ in China wurde vor Kurzem zu einem superintelligenten Wesen aufgerüstet. Sie werden es bald in Laptops, Telefonen, Tablets und sogar Uhren sehen (obwohl Uhren etwas später kommen werden).“

Super Agent repräsentiert nicht nur Lenovos Erforschung von KI-Interaktionsparadigmen, sondern auch die Implementierung seiner hybriden KI-Architektur. Luca betonte, dass kontextbezogenes Teilen zwischen Geräten eine grundlegende Fähigkeit für zukünftige Erlebnisse sein wird, etwas, das die Cloud allein nicht leisten kann.

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Morphologische Innovation: KI ist die treibende Kraft, sollte aber keine Spielerei sein

Bei der Diskussion über AIPC drängt sich die Frage auf, ob sich die Formfaktoren der Geräte entsprechend ändern werden. Lucas Antwort war überraschend optimistisch: „Es ist kein Hindernis, sondern eine Chance.“

Er betonte, dass sich das Aussehen und die Interaktionsmethoden der heute von uns verwendeten Notebooks in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verändert hätten. Allerdings biete die KI, insbesondere die Entwicklung der natürlichen Sprachverarbeitung, großer Modelle und multimodaler Schlussfolgerungen, die Möglichkeit, die inhärente Form aufzubrechen.

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▲ Lenovos intelligente KI-Basis auf der IFA2025 vorgestellt

„Tastaturlose, sprachbasierte Geräte sind keine Fantasie. Aber sie werden nicht im nächsten Quartal oder sogar im nächsten Jahr verfügbar sein“, sagte er. Dieser Wandel erfordert Zeit und Zuverlässigkeit. Der Engpass bei der Interaktion mit natürlicher Sprache war nie die Machbarkeit, sondern die Stabilität. Fortschritte in der KI machen diesen Übergang erstmals zu einer realistischen Aussicht.

Lenovo spricht nicht nur auf dem Papier darüber. In den letzten Jahren hat das Unternehmen auf fast jeder Technologiekonferenz Formfaktor-Experimente präsentiert: faltbare Bildschirme, modulare PCs, das mobile Gaming-Gerät Legion Go … Auch wenn nicht jedes Produkt kommerzialisiert wurde, sieht Luca diese Experimente nicht als Nebenprodukte, sondern als Kern.

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▲ Links: Lenovo ThinkBook VertiFlex-Konzeptmaschine

„Auch gescheiterte Experimente können den Weg für erfolgreiche ebnen. Wir haben 2017 den ersten faltbaren PC vorgestellt und später wurde diese Technologie im Moto Razr implementiert, das zu einem unserer meistverkauften Produkte wurde.“

KI verändert nicht nur das Erlebnis, sondern kann auch neue Hardware-Spezies hervorbringen

Auf die Frage, ob KI völlig neue Hardwareformen hervorbringen werde, bejahte Luca Rossi dies. Er glaubt, dass sich Geräte wie Laptops, Tablets und Mobiltelefone in den nächsten fünf Jahren durch den Einsatz von KI voraussichtlich verändern werden, und Lenovo wird weiterhin verschiedene Möglichkeiten erkunden.

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Lenovo Yoga Tab mit hybriden KI-Funktionen

Unter seinen vielen Visionen hob er insbesondere die Brille hervor und erklärte: „Ich persönlich glaube, dass die Brille eine der vielversprechendsten Plattformen der Zukunft ist und in den nächsten zwei bis fünf Jahren unterschiedlich erfolgreich sein wird.“

Er ist optimistisch, was diese Entwicklung angeht, nicht wegen technologischer Durchbrüche, sondern wegen der Gewohnheiten der Nutzer. „Millionen von Menschen an einen völlig neuen Formfaktor zu gewöhnen, ist an sich schon eine große Herausforderung. Brillen sind etwas, womit die Leute bereits vertraut sind.“

Er wies auch offen darauf hin, dass es noch drei große technische Herausforderungen zu bewältigen gilt: Rechenleistung, Akkulaufzeit und Objektivdesign. Diese Probleme sind nicht unlösbar, benötigen aber noch Zeit.

Was die derzeit auf dem Markt erhältlichen Produkte betrifft, erwähnte Luca insbesondere die gemeinsam von Meta und Ray-Ban auf den Markt gebrachten Smart Glasses und kommentierte: „Sie haben sich als erfolgreich erwiesen. Kein Riesenerfolg, aber immerhin erfolgreicher als jedes andere mir bekannte Beispiel.“

Deshalb unterstützt er die weitere Erforschung. „Mehr Wettbewerb und Innovation sind positiv; sie öffnen den Markt.“ Auf die Frage, ob Lenovo in diesen Markt eintreten wird, antwortete er vielsagend: „Wir werden konkurrieren, wenn die Zeit reif ist.“

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Die besten KI-Anwendungen sind noch nicht erfunden, aber der Weg ist klar

Am Ende des Interviews kamen wir auf die Frage zurück: Wo ist die Killer-App von AIPC?

Luca gab keine direkte Antwort. Er sagte nur: „Die besten Anwendungen sind noch nicht erfunden.“

Er ist davon überzeugt, dass auf dem kommerziellen Markt die Effizienzsteigerung zum entscheidenden Wert der KI wird und dass auf der Verbraucherseite hochintelligente Einheiten die Möglichkeit haben werden, zum Schlüsselfaktor bei der Definition neuer Interaktionen und der Schaffung neuer Werte zu werden.

So wie der App Store Jahre brauchte, um sein App-Ökosystem zu etablieren, steht AIPC noch ganz am Anfang. Vor zwei Jahren war NPU eine Hardware-Funktion, die Entwicklern weltweit unbekannt war. Heute haben Hunderte von unabhängigen Softwareanbietern (ISVs) darin investiert.

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▲ Lenovo präsentiert das Legion Savior-Produktportfolio

„Wir hätten nie gedacht, dass AIPC ChatGPT in der Cloud ersetzen könnte. Aber wir glauben, dass es ein intelligenter Einstiegspunkt für ein leichteres, privateres und unmittelbareres Erlebnis in verschiedenen Benutzerkontexten werden kann.“

Dies ist Luca Rossis Neudefinition der PC-Industrie, nicht als Fortsetzung der Produktivitätstools der Vergangenheit, sondern als Außenposten im KI-Zeitalter.

Vom Zuschauer und Protokollanten der Technologie zum Praktiker, der sich mit der Auswirkung der Technologie auf den Lebensstil auseinandersetzt.

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